Herkunft und Werdegang 1825-1846
- Sr. Annette Buschgerd cps
- 22. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Apr.
Im Alter hat Franz Wendelin (W.) Pfanner die Erinnerungen an seine frühen Jahre sowohl handschriftlich (1888) wie auch als Diktat (1908) festgehalten. Sie und viele seiner Briefe und Gelegenheitsansprachen zeichnen das Bild seiner jungen Jahre. Andere Einzelheiten erfahren wir von Schulkameraden.
Wendelin wurde am 20. (nicht am 21.) 09. 1825 auf der Bremenhub 91 in Langen bei Bregenz (Vorarlberg) als Zwilling und 3. Kind der Eheleute Franz Anton Pfanner (1794-1856) und Anna Maria geb. Fink (1800-1828) geboren. In St. Sebastian (Langen) wurde er auf den Namen eines väterlichen Onkels getauft. Eine etwas ältere Schwester hieß Kreszenz.
Ihm war keine sonnige Kindheit vergönnt, denn als die Mutter ein Jahr nach der Geburt eines Franz Anton (Toni, 1827), einer kleinen Anna Maria das Leben schenkte, starb nicht nur das Kind, sondern 17 Tage darauf auch die junge Frau. Der Vater stürzte sich in die Arbeit und überließ seine vier Kinder einer jüngeren Schwester. Diese konnte jedoch nicht mit Kindern umgehen und griff schnell zur Rute, die sie hinter dem Bild der hl. Anna versteckte. Wendelin mochte sie nicht.

Nach sechs Jahren heiratete der Vater (40) die 26-jährige Anna Maria Hörbuger aus Sulzberg, und konnte mit ihrer Mitgift sowohl seine Schulden abbezahlen als auch mit Fleiß, Sparsamkeit und Umsicht den Nachbarhof und einen Nadelwald erwerben, eine Sägemühle bauen und Holz und Holzkohle verkaufen. Er hatte so viel Erfolg, dass er im nahen Allgäu Zuchtstiere einkaufen und mit Gewinn bis nach Italien weiterverkaufen konnte. Wendelin kannte seinen Vater nicht anders als Schwerstarbeiter.
Aus der zweiten Ehe gingen sieben Kinder hervor. Zwei starben im Kindesalter und eine Tochter mit dreizehn Jahren (1854). Insgesamt hatte Wendelin zwei Brüder, Johann und Toni, zwei Halbbrüder, Franz Xaver und Joseph, eine leibliche und zwei Stiefschwestern. Katharina war mit Dr. Riedmann, Tierarzt in Alberschwende, verheiratet. Sie und Neffe Anton unterstützten seine Arbeit zeitlebens.
Die Stiefmutter schloss den rothaarigen sommersprossigen Wendel ins Herz. Er liebte sie, denn sie machte den besten Schmarren, klatschte, wenn er beide Brüder beim Hosenlupf (eine Art Ringkampf) besiegte und flickte willig die Kleider, die er zerriss. Kein Gegner war ihm überlegen. Als der stämmige Sohn des Dorfkrämers ihn auf dem Kirchplatz wegen seines roten Haarschopfs foppte, traktierte er ihn so heftig, dass Beistehende fürchteten: „Der Knirps wird den Großen doch wohl nicht auffressen!“ (Wenn nicht anders angegeben, sind alle Zitate den Lebenserinnerungen entnommen.)
Wendelin konnte auch vorlaut sein. Einmal fügte die Vorbeterin bei einer Totenwache dem Rosenkranz immer noch mehr Paternoster für verschiedene Anliegen hinzu. Der Junge war gelangweilt, und im richtigen Moment schnitt er ihr das Wort ab: „Jetzt, ein Paternoster für die Stasl! (sie selbst).“ Damit war die Wache beendet. Keiner rügte ihn, auch die Mutter nicht. Abt Franz meinte im Alter, es wäre besser gewesen, sie hätte ihm eine Tracht Prügel gegeben und ihm seine Unart abgewöhnt, denn, so schrieb er, „meine Furchtlosigkeit und Unerschrockenheit konnte auch in Frechheit umschlagen“. Er hatte ein Leben lang damit zu kämpfen.
Hartnäckig verfolgte er sein Ziel, egal was es kostete. Für eine viel begehrte Pelzmütze melkte er mit 13 Jahren zweimal täglich 10 Kühe „so schnell wie jeder der Knechte“, eine Zähigkeit, die ihm in vielen Lebenslagen half, seinen Umgang mit andern aber auch erschwerte. „Diesen Zug habe ich von meinem Vater geerbt; er ist mir anerzogen“. Und: „Mit Kopfnicken kommt man nicht weit, am wenigsten aber einer Sache auf den Grund.“
Ansonsten gingen die Eltern ihren Kindern in Gottesfurcht und guter Sitte voran. Wendelin kannte seinen Katechismus und war auf Erstkommunion and Firmung gut vorbereitet.
Nach der Volksschule entschied der Vater über den weiteren Weg seiner Söhne. Zwilling Johannes hatte die kräftigeren Muskeln; er musste den Hof übernehmen. „Und du,“ sagte er zu Wendelin, „studierst!“ Das war dem geweckten Jungen recht. Für die Aufnahme am Feldkircher Gymnasium (1838) bekam er Lateinstunden bei einem Pfarrer, während sein Patenonkel für ihn verantwortlich zeichnete. Zum Abschied mahnte ihn der Vater: „Bet‘ fleißig und lern gut“. Dann drückte er ihm 20 Pfennige in die Hand und sagte: „Fleißig sparen, Wendel!“

Das Studium fiel ihm leicht. Er bekam die besten Noten, glänzte in Mathematik und Physik und hätte das Zeug für einen Ingenieur gehabt. Der Onkel riet, ihn nach Innsbruck zu den Jesuiten gehen zu lassen (1843). Dort festigte sich Wendelins Charakter. Als geschätzter Kamerad war er gewöhnlich heiter, aber auch wieder ernst und gewissenhaft, ging jeden Morgen zur Messe und empfahl allen Heiligen seinen Weg (Sein tägliches Gebet war: „Oh, ihr Heiligen Gottes“). Innsbruck prägte ihn, doch als er sich mit 38 Jahren einem Orden anschließen wollte, entschied er sich für die Trappisten, nicht für die Jesuiten, mit der Begründung, sich „lieber zu Tode zu arbeiten, als zu Tode zu studieren“. Der Vater war und blieb seine Leitfigur: „Wie oft habe ich meinem verstorbenen Vater gedankt, dass er mich so streng zur Arbeit angehalten und auch das vorteilhafte Arbeiten gelehrt hat.“
Ora et Labora, und, man muss hinzufügen, viel Bewegung in der frischen Bergluft, das war sein Lebenselixier. Neben dem Hosenlupf war Klettern sein Hobby: „Jede Höhe fordert mich heraus!“ Einmal gerieten er und seine Kameraden ganz oben und gegen Abend in einen Schneesturm. Nebel nahm ihnen die Sicht, so dass sie sich nur an einem schmalen Wasserfall orientieren konnten. „Der halb-blinde Faist zitterte vor Angst am ganzen Leib. So nahem ich ihn mir kurzerhand wie eine Garbe unter den Arm und tastete mich mit ihm am schlüpfrigen Ufer entlang zu Tal“. Dazu ein Kamerad: „Ja, der Pfanner hatte Arme wie Eisenstangen.“
Nach dem sog. 1. Philosophicum zog es Wendelin mit drei anderen Studenten nach Padua (November 1845). Sie waren reisefertig, er aber hatte weder Erlaubnis, Ausweis noch Geld. Doch „schnell wie der Blitz“, wie es seine Art war, fand er eine Lösung. Er suchte einen Mann aus Langen auf, der in Innsbruck arbeitete und geschäftlich mit seinem Vater verkehrte. Diesem gab er eine Notiz an denselben und bekam das Gewünschte vorgestreckt. Dann gab er sein Gepäck auf und marschierte mit den anderen zum Tor hinaus. Bald waren seine Reserven aufgebraucht. Was tun? In seiner Not schrieb er an seinen Onkel, damit der ihm aus der Klemme helfe, setzte aber den Brief so geschickt auf, dass der Onkel meinen konnte, er habe ihm bereits in einem ersten Brief über seine Reise nach Padua berichtet. Der Trick gelang ihm. Der Onkel meinte nur, es sei sehr schade, dass er jenen Brief nicht bekommen habe, denn er habe „bestimmt interessante Neuigkeiten enthalten.“ Der Onkel beschwichtigte seinen Vater und schickte ihm, was er brauchte
In Padua schlug die Begeisterung der vier Vorarlberger schnell in Ernüchterung um. Stadt und Land behielten zwar ihren Reiz, aber der Universitätsbetrieb war enttäuschend. Die meisten Studenten kamen aus gehobenen Schichten und vertrödelten ihre Zeit. Wendelin war angewidert. Mit Niemand ließ sich ein ordentliches Gespräch führen, und die Berge fehlten den Vieren auch. So legten sie vorzeitig Examen ab und kehrten nach knapp einem Jahr zurück ins Ländle, um manche Erfahrung reicher. In Padua gab Wendelin den Wunsch, Ingenieur zu werden, auf - wenn auch alles Technische ihn weiterhin faszinierte - und entschied sich, Priester zu werden.
Zuhause kam er glimpflich davon. Der Vater hörte sich mit unverhohlener Bewunderung seine Geschichten an, drückte ihm aber nach drei Tagen die Heugabel in die Hand, und aus Dankbarkeit, machte sich Wendelin an die Arbeit, bis er am 29.9.1846 „in die Theologie“ nach Brixen ging. Schließlich hatte „sich’s der Vater immer erhofft, dass sein Wendel einmal Pfarrer würde.“
© Sr. Annette Buschgerd cps
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