Die Gründung von Maria Stern 1869-1880
- Sr. Annette Buschgerd cps
- 31. Juli
- 6 Min. Lesezeit
Artikel Nr. 4 August 2025
Die Geschichte des Klosters Maria Stern in Bosnien ist hinlänglich dokumentiert. Nicht so bekannt ist die Vorgeschichte dieses traditionsreichen Trappistenklosters in Bosnien. Sie soll hier nachgezeichnet werden. Sie führt in die ehemalige Abtei Mariawald in der Eifel, denn von dort wurde der Gründer von Maria Stern, P. Franziskus Pfanner, zusammen mit Br. Zacharias Vogt am 21. Juni 1867 zur Neugründung ausgesandt. Sie sollte irgendwo in der am 8. Juni d. J. gegründeten Donau Monarchie stattfinden. (Vgl. Art. 3 dieser Serie)
Es war üblich im Orden, dass Pioniere nur mit dem Allernotwendigsten ausgestattet wurden, der Grund, warum der Prior sie in seinem Beglaubigungsschreiben der „freundlichen Aufnahme durch katholische Pfarreien und Klöster“ empfahl. Sie kamen bis Ulm, wo Bekannte ihnen weiterhalfen. P. Franziskus fuhr in seine Heimat, Langen bei Bregenz, denn dort konnte er mit der Unterstützung seiner Stiefmutter rechnen.
Die Neugründung war ein gewagtes Unternehmen und der Weg zu ihrer Verwirklichung mit Stolpersteinen gepflastert. Zuerst versuchten die Pioniere ihr Glück in Ungarn, doch die heruntergekommenen Herrschaften dort waren den Kaufpreis nicht wert. Außerdem wünschte der Primas kein Trappistenkloster. „So betrachteten wir dies als einen Wink der Vorsehung, und zogen nach Kroatien.“ (Wenn nicht anders angegeben, sind alle Zitate den „Lebenserinnerungen“ von Abt Franz entnommen.)
In Agram erreichte sie ein 2. Bevollmächtigungs-schreiben ihres Priors, das auf weitere drei Monate ausgestellt war, und gleichzeitig ein Privatbrief ihres ersten Vorgesetzten, Abt Ephrem. Er beorderte Br. Zacharias zu sich nach Ölenberg, riet P. Franziskus jedoch, wieder Diözesanpriester zu werden und verbot ihm, ins Kloster zurückzukehren. Sie wussten also spätestens jetzt, dass sie Störenfriede waren und unschädlich gemacht werden sollten. Dazu Abt Franz: „Doch das waren zwei, bei denen Schrecken noch nicht erkleckte (wirkte).“ Sie hatten weder eine Straftat noch einen schwerwiegenden Regelbruch begangen, wohl aber Stabilität gelobt. Darum schickte P. Franziskus die Schriftstücke zur Begutachtung an Bischof Josef Fessler, den bedeutendsten Kirchenrechtler seiner Zeit und sein ehemaliger Professor in Brixen. Seine Antwort war prompt und klar: „Sie müssen nach Rom!“
Zwei weitere Brüder, Benedikt und Jakobus, wurden ihnen nachgesandt. Zusammen mit ihnen trafen sie an Neujahr 1868 in Rom ein. Dort verfasste P. Franziskus eine ausführliche Klageschrift und machte sich auf einen langwierigen Prozess gefasst.
1868 feierte Rom ein wichtiges Jubiläum: der Völkerapostel Paulus war vor 1800 Jahren in Tre Fontanevor den Toren Roms enthauptet worden. Zu diesem Anlass wurden Pilger aus aller Welt erwartet, und das alte verwahrloste Zisterzienserkloster, das Pius IX. den Trappisten geschenkt hatte, musste instandgesetzt werden. Für diese Arbeit waren die vier „buoni tedesci“ gerade recht, Beherzt machten sie sich an die Arbeit, waren aber der Hitze und dem Sumpffieber nicht gewachsen. „Br. Benedikt war in vier Tagen tot;“ die anderen warteten verzweifelt auf den Ausgang des Gerichtsverfahrens. Endlich, nach sechs Monaten. erhielt P. Franziskus den ersehnten Bescheid: „Ein lateinisches Dekret befugte mich zur selbständigen Gründung eines Trappistenklosters.“ Sie sangen ein Te Deum. Das Warten hatte sich gelohnt. Sie kehrten unverzüglich nach Agram zurück. Dort erwarteten sie neue Schwierigkeiten. Abt Ephrem behielt seine eigene Niederlage für sich und schwieg die Neugründung tot, Die Mitbrüder waren also im Dunkeln und betrachteten die Pioniere als Apostaten, was besonders Br. Zacharias auf seinen Sammelreisen zu spüren, bekam, währedn P. Franziskus vergeblich auf Antwort auf seine Berichte nach Ölenberg wartete. Er war ein streitbarer (kein streitsüchtiger) Mensch, der keiner Auseinandersetzung auswich. Sein Anderssein wurde ihm nicht verziehen.
Inzwischen bekam Kroatien eine eigene Regierung. Nur der frisch gewählte Landtag konnte über eine Ansiedlung von Trappisten entscheiden, tagte aber erst Ende März 1869, also sieben Monate später. Abt Franz: „Es war das wieder eine Zeit zum Davonlaufen, … doch für mich war sie notwendig, denn gerade sieben Monate quälte mich das römische Fieber.“
Die Situation wurde auch nicht besser, als zwei Chormönche aus Mariawald sich den Pionieren anschlossen. Im Gegenteil, Resignation drohte sich auszubreiten. Doch dann, 5 Minuten vor 12, trat eine Wende ein. P. Franziskus erinnerte sich an einen slawonischen Priester, der ihm gesagt hatte, dass Christen neuerdings im türkisch regierten Bosnien Besitz erwerben konnten. Sofort reiste er nach Altgradiska und von dort auf einem Leiterwagen zusammen mit dem Geistlichen über die Grenze und durch das weite Vrbas Tal nach Banja Luka. Dort residierte ein österreichischer Vize-Konsul. Nikolaus Dragancic, Edler von Drachenfeds, war Kroate, Hauptmann von der Militärgrenze und für den Plan offen. Außerdem hatte Banja Luka einen Pascha. P. Franziskus verbarg vorsichtshalber seinen Habit unter einem langen Staubmantel und gab sich als österreichischen Gutsbesitzer aus. Er hatte keine Zeit zu verlieren, wenn seine Mitstreiter nicht die Flinte ins Korn werfen sollten. „Ich kam mit einem Türken überein, kaufte ihm ein Grundstück ab und gab ihm, damit er nicht mehr rückwärtsgehen könne, 10 österreichische Dukaten Capara (Angeld).“
Doch das Gericht, das den Kauf bestätigen musste, wusste nichts von der neuen Regelung. Deshalb wurde ein Telegramm nach Sarajewo geschickt und, als die Behörde dort noch nach acht Tagen nicht aktenkundig geworden war, ein zweites nach Konstantinopel. Mit Bangen dachte P. Franziskus an die Brüder in Agram. Würden sie ausharren? Seine Sorge war berechtigt, denn „sie schmiedeten bereits andere Pläne.“ Endlich traf eine Rückmeldung ein. Sie war positiv doch zu spät. „Der Türke getraute sich nun nicht mehr, seinen Grund mir zu kaufen zu geben, denn man hatte einen förmlichen Volksauflauf gegen ihn angezettelt, wenn er der erste sei, einem Giaur (Ungläubigen aus islamischer Sicht) Boden zu verkaufen.“ Darum wurde P. Franziskus so schnell wie möglich mit einem griechisch-orthodoxen bzw. serbischen Kaufmann handelseinig. Der zweite Besitz „lag eine Stunde außerhalb der Stadt (nahe beim Dorf Delibasino Selo) an einem bewaldeten Abhang zum reißenden Vrbas hin.“ Sofort markierte er die Grenzen im Beisein von Zeugen, handelte auf Anraten anderer Grundherren und des Konsuls den Kaufpreis für die „paar tausend Joch“ (ca. 300 Morgen) von 3000 auf 1400 Dukaten (á 5 Gulden oder 10 Mark) herunter und zahlte die Summe „noch in derselben Nacht gegen eine Tapie (Eigentumsurkunde) aus.“ Br. Zacharias hatte das Geld ‚emsig wie eine Biene“ erbettelt. Später „stellte sich dann heraus, dass sie nach landesüblichen Preisen zu hoch war.“

Am nächsten Morgen telegrafierte der glückliche neue Eigentümer den Mitbrüdern, zu kommen. Zwei mächtige steierische Schimmel und ein großer Kastenwagen, von Br. Jakobus gezimmert, standen bereit. Zur Gründungsmann-schaft gehörten die bereits Genannten und zwei Postulanten. Die Übersiedlung gestaltete sich in Ermangelung von Brücken und Straßen als äußerst risiko-reich. Doch dann, mit der größten Kraftanstrengung, war das Ziel erreicht – ein Kälberstall. „Das war die ganze Herrlichkeit, in welche ich meine Brüder … einführen konnte. Es war der unvergessliche Aloysius-Tag (21. Juni 1869, genau zwei Jahre nach ihrer Aussendung aus Mariawald), als wir das erste Mal unser müdes Haupt da niederlegen konnten.“
P, Franziskus nannte die Neugründung MARIA STERN aus Dankbarkeit für die Schwestern von Mariastern in der Oberlausitz (damals Alterssitz des ehem. Priors von Mariawald, Eduard Scheby!), die den größten Betrag zum Kaufpreis gespendet hatten.
Mit dem Einzug in den Kälberstall endet die Vorgeschichte von Maria Stern und fängt seine bekannte Geschichte an. Auch sie besteht aus lauter Abenteuern und Zerreißproben, aber auch aus ungebrochenem Unternehmungsgeist und ans Wunderbare grenzenden Beweisen himmlischen Schutzes.
Der Pascha fiel P: Franz (den Namen bekam er in Bosnien) bei jeder Gelegenheit in den Arm. Er war unberechenbar. Man meint, sein „jok! jok!“ noch aus den Lebenserinnerungen herauszuhören, egal, ob es sich um den Klosterbau, die Aufforstung oder Glocken handelte. Aber auch in der Mönchsgemeinschaft gab es empfindliche Spannungen, die sich durchwegs am unterschiedlichen Verständnis der Regel oder deren Anwendung entzündeten. Am zweiten Weihnachtsfest (1871), z. B. saß P. Franz allein mit drei Novizen in dem halbfertigen Neubau. Auch der reißende Vrbas forderte seine Opfer; Fahrendes Volk und Partisanen waren eine ständige Plage. Die Mönche wurden Zeugen wiederholter Übergriffe unbarmherziger Lehnsherren gegen rechtlose Pächter und sahen sich konfrontiert mit politischer Willkür und weitverbreiteter Unwissenheit.

Trotzdem – oder gerade deswegen? – entwickelte sich Maria Stern zu einem Stützpunkt für Kultur, Humanität und christlichen Glauben. Am 15. 12. 1872 wurde es zum Priorat erhoben mit P. Franz als erstem Prior und dem westfranzösi-schen Port du Salut unterstellt. Es vermehrte sich rasch und wurde wegen seiner fortschrittlichen Wirtschaft landes-weit und über die Grenzen hinaus bekannt. Prior Franz plante eine zweite Niederlassung, Maria-Anna Berg, bekam aber heftigen Gegenwind von den Franziskanern, die seit 400 Jahren das Alleinrecht der Seelsorge beanspruchten. Er wurde angefeindet, als perpetuum mobile bezeichnet und in Rom verklagt. Er setzte sich zur Wehr; machte entsprechende Eingaben, verfasste Berichte über Land und Leute und beschleunigte so die überfällige Neuordnung kirchlicher und gesellschaftlicher Verhältnisse im Land.
1878 beschloss der Berliner Kongress, dass Bosnien türkisch bleiben, aber von Österreich-Ungarn besetzt und durch da sGemeinsame Finanzministerum Österreich-Ungarns verwaltet werden sollte (Art. 25 des Berliner Friedens v. 13. 7. 78). Die Besetzung begann am 29. Juli 1878 und führte vielerorts zu blutigen Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung, die sich erst nach drei Monaten der Übermacht Österreichs ergab. Prior Franz warb deutsche Bauern an und war maßgeblich an der Entstehung der Siedlungen Windhorst (Nova Topola) und Rudolfstal (Aleksandrovac) beteiligt. Dann vertraute er die Siedler seinem tüchtigsten Mitarbeiter, P. Beda von Vesteneck an und folgte der Einladung eines Bischofs, in seiner Diözese am Kap der Guten Hoffnung ein Kloster zu errichten. Das war am 12. September 1879. Im Juli 1880 verließ er Bosnien mit 34 Mann und wurde – Missionar.
© Sr. Annette Buschgerd cps
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