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Der Seelsorger 1846-1863

  • Sr. Annette Buschgerd cps
  • 31. Mai
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 1. Juni

Artikel Nr. 2: Juni 2025

Was Abt Franz im Alter über seine Berufswahl schreibt, überrascht nicht: „Unentschieden, was ich werden sollte, kam ich nach Padua (1845). Aber in einem Monat war es bei mir schon ausgemacht und fest, dass ich mich zum Priestertum wenden werde. Nachdem ich das hässliche Treiben italienischer Studenten beobachtet und die Verdorbenheit des Stadtlebens überhaupt kennengelernt hatte, da konnte kein anderer Stand mehr als der ehelose Priesterstand für mich einen Reiz haben, und von da an war meine Parole ‚Brixen‘, die Bischofstadt und das Seminar meiner Diözese‘.‘  (Falls nicht anders angegeben, sind alle Zitate den Lebenserinnerungen von Abt Franz entnommen)

 

In Brixen waren Priesteramtskandidaten im ersten Jahr auf sich selbst gestellt. Also wohnte Wendelin zur Miete, ehe er im Herbst 1847 ins Seminar eintrat. 1848 erhielt er die Tonsur und den Talar mit Krawatte, musste aber das Studium bereits im Mai wegen einer Gehirnhautentzündung abbrechen. Zuhause wurde er von seiner Mutter gesund gepflegt und vom Vater geschont, während die Seminarleitung ihm bei seiner Rückkehr ein geräumigeres Zimmer und leichtere Kost zugestand. So gab er bald wieder seine Turnkünste zum Besten, indem er z. B. und - fast schon symbolhaft - eine Fahnenstange einhändig und ohne das Gleichgewicht zu verlieren, aufrichtete, die er obendrein mit seinem Talar beschwert hatte. Ein andermal flog er für einen Groschen pro Zuschauer „so wie ich war, im langen Talar und mit hohen Stiefeln an … über einen Mühlgraben und wieder zurück.“

 1848/9 war Revolutionsjahr. In vielen Ländern Europas ging man für Freiheit und nationale Selbstbestimmung auf die Straße. Wendelin gewöhnte sich an, Zeitung zu lesen, reiste in seinen letzten Ferien allein und mit Geld, das er sich mit Nachhilfestunden und Haarschneiden verdient hatte, den Rhein hinunter, bis Köln und kam Anfang September, um viele Eindrücke und Erlebnisse bereichert voller Begeisterung wieder nach Langen. Ein letztes Mal half er beim Heuen, maß sich mit Bruder Johannes im Hosenlupf – sie waren 23 – und begann anschließend sein 3. Theologisches Jahr.

Jungpriester Pfanner (© CPS)
Jungpriester Pfanner (© CPS)

“Das einzig für mich Merkwürdige in diesem Jahr war … ein großer Drang in die Heidenmission.“ Der Fürstbischof aber entschied dagegen: „Der Pfanner ist zu schwach“. Wendelin war augenblicklich beruhigt und „dachte an nichts anderes mehr als an die heimatliche Seelsorge.“ Und: „Jene Seminar­jahre … gehören zu den ruhigsten in meinem Leben. Man studierte gerne und deshalb viel, weil uns das Glück zuteil war, ausgezeichnete Professoren und Seminarvor­stände zu haben. Darunter glänzten Fessler und Gasser. Beim Ersten hörte ich Kirchengeschichte und Kirchenrecht, beim Letzten, Dogmatik. … Fessler war später Bischof von Feldkirch und St. Pölten und Sekretär des Allgemeinen Konzils in Rom, Gasser wurde Fürstbischof von Brixen. Bei dem heiligmäßigen Stadler hörte ich Pastoral, bei dem gelehrten zu früh verstorbe­nen Messmer erlernte ich das Bibelverständnis … Ein Jahr später kam zu diesem herrlichen Professoren-Kleeblatt noch Rüdigier als Regens dazu, der später so berühmte Bischof von Linz, der Vorkämpfer gegen den falschen Liberalismus in Österreich. In diesem kleinen Städtchen also saßen damals so große Männer. Fessler und Rüdigier waren Vorarlberger von Geburt, Gasser und Fessler wurden anno 1848 ins Parlament in Frankfurt gewählt. Bei der großen Bischofsversammlung in Würzburg wurde Fessler das lebendige Lexikon über Kirchenväter genannt. Alle 4 Gelehrten … waren Bauernsöhne aus Tirol und Vorarlberg.“

 

1850 erhielt Wendelin mit ca. 50 anderen (10 allein aus Vorarlberg) die höheren Weihen, und am 28. Juli die Priesterweihe. Brixen, lebe wohl! Doch hätte er nicht Wendelin Pfanner heißen müssen, wenn er sich eine letzte „Tapferkeits-Medaille“ hätte entgehen lassen. Gewöhnlich gaben die scheidenden Theologen dem Personal ein Trinkgeld. Es wurde eingesammelt und gleichmäßig unter alle verteilt. Doch 1850 galt das als undemokratisch; vielmehr sollten die Nachlässigen einen Denkzettel bekommen. Deshalb wurden die Gelder einzeln verpackt, um dann mit deutlicher Angabe des Namens und Betrags ausgehändigt zu werden. „Es wollte aber niemand diese Prämienverteilung bzw. Polizeigeschäft übernehmen, erst recht nicht, weil der leibliche Bruder eines Seminarvorstands mit nur 2.5 Groschen ausging. So wandte man sich, wie gewöhn­lich, an mich, und ich tat es kaltblütig“.


In Langen wurde der Neupriester unter großem Jubel empfangen (28.7.1850) und verlor keine Zeit, alle Verwandten und Freunde persönlich zu seiner Primiz einzuladen, die er am 9. August unter Assistenz seines geistlichen Onkels feierte. „Ein unvergesslicher Tag. Ich war so bewegt, dass ich die Blaskapelle und die Kanonensalven kaum hörte und nichts von den vielen Inschriften auf den unzähligen Girlanden und Triumphbögen sah. … Als ich das Allerheiligste zum ersten Mal in den Händen hielt, versagte mir die Stimme.“ Und: „An diesem Tag scheute mein Vater keine Kosten, und schon während der Vorbereitungen war ihm kein Aufwand zu viel. Es war der Höhepunkt von zwölf Jahren, in denen meine Eltern große Opfer gebracht hatten, und die Ehre der ganzen Gemeinde.“ Am 8. September predigte er das erste Mal von der Kanzel und trat bereits am folgenden Sonntag in Haselstauden seinen Dienst an. Die Gemeinde war eine Expositur von Dornbirn und vernachlässigt. So war er froh, dass seine Schwester Kreszenz ihm den Haushalt führte und er sich ganz der Seelsorge widmen konnte.

                                                                                                         

Seelsorger in Agram (© CPS)
Seelsorger in Agram (© CPS)

Anfangs machte ihm sein Vorgänger die größten Sorgen, denn obwohl der Generalvikar ihn wegen seiner Unfähigkeit versetzt hatte, übten seine Anhänger so viel Macht über den nachsichtigen alten Herrn aus, dass er fortan bei einer Wirtin einzog, wo sie ihn jederzeit erreichen konnten. Das war für „den Neuen“ nicht leicht, aber „ich entschloss mich, … ungeachtet ihrer Parteien meinen Dienst zu tun.“ Wie zu erwarten, galt Pfanner als streng, denn, kaum im Amt, räumte er auf, schaffte Missstände, die sich rund um Taufe, Heirat und Begräbnis eingebürgert hatten, ab, schärfte Jung und Alt den Katechismus wieder ein und verschönerte den Kirchenraum. Widerstand regte sich auf dem Fuß, doch Pfanner war ihm gewachsen, reagierte entweder mit Milde oder Strenge und gewann die Menschen durch persönliche Zuwendung, wenn sie in Not waren, wie z. B. bei einer Typhus-Epidemie. Er ließ sich nicht einschüchtern, sondern machte den Unverbesserlichen den Prozess, wenn er das Recht auf seiner Seite wusste und den Rat eines erfahrenen Pfarrers (A. Jochum) eingeholt hatte. Für die Beichtpraxis und Predigt waren die Volksmissionare der Jesuiten und Redemptoristen seine Vorbilder. Fabrikanten in Dornbirn lernten ihn als den Anwalt der Arbeiter kennen. Alleinstehenden riet er, ihre Einsamkeit durch Gebet und Liebesdienste zu heiligen; jungen Frauen und Männern auf der Suche nach ihrer Berufung führte er dem Ehe-, Priester- oder Ordensstand zu. Darüber hinaus bot er sich an, Maria Bildstein (Vorarlberg) zu restaurieren und die dortige Wallfahrt neu zu beleben - umsonst. 1859 meldete er sich aufgrund seiner Italienisch-Kenntnisse als Feldkaplan nach Solferino - zu spät: die Schlacht war vorbei. Ehe er abreiste.

Nicht Italien, sondern Kroatien sollte das nächste Arbeitsfeld sein. Der Bischof berief den 34Jährigen für drei Jahre als Beichtvater der Barmherzigen Schwestern in Agram (Zagreb). Dort musste er außerdem aszetischen Unterricht geben, sonntags eine deutsche Predigt halten und im Internat Religionsunterricht erteilen. Politisch war Agram ein heißes Pflaster; „Los von Österreich!“ war die Parole. Doch Pfanner ging unerschrocken seinen Weg, der ihn in der Fastenzeit auch in die Strafvollzuganstalt nach Lepoclava führte. Er schreibt: “Ich kann wohl mit Fug und Recht sagen, dass ich in meinem ganzen Priesterleben nie so viel des Trostes erfahren habe als in diesem Zuchthause, aber vielleicht auch nirgends so viel Einsicht erlangt habe in die Menschenherzen als durch Anhören solcher Lebensbeichten.… Meine Seelsorgepraxis wurde jedes Mal um vieles bereichert.“

Seelsorge, egal ob als Pfarrer, Mönch oder Missionar (s. folgende Artikel), hatte Priorität. So bemühte sich Pfanner, wie einst Paulus um Onesimus, noch im fortgeschrittenen Alter um Freund Haitinger, der nicht mehr zur Kirche ging. Ihm gegenüber bezeichnete er seine Berufung zum Priester als ein „unaussprechliches, unverdientes Glück, eine unbegreifliche Gnade.“ Sie rührte noch den 75jährigen Jubilar „zu Tränen.“ (1900)


© Sr. Annette Buschgerd cps


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